
gibt plötzlich den Ton an. Ich weiß das nur zu gut von mir selbst. War es sehr hektisch tagsüber in der Klinik, kam ich kaum zum Pause machen, so komme ich schon mit einem entsprechenden "Dampf" zuhause an und der Druck muss erst einmal von mir abfallen. Erst dann kann ich die Ruhe meines Zuhauses erst wieder richtig genießen.
Ich habe mir angewöhnt, wenn ich "unter Dampf" zuhause ankomme, erst einmal alle Tiere zu versorgen. Der Hühnerstall wird nach frischem Wasser und genügend Futter gecheckt, ich hole zwei Handvoll Sonnenblumenkerne und locke die gefiederten Freunde herbei. (das ist meist gar nicht nötig, denn die Hühner kennen mein Ritual schon, kommen von selbst angerannt und verfolgen mich regelrecht, bis sie ihre geliebten Körner bekommen haben.)
Da haben wir es schon, es ist ein Ritual. Damit verbinde ich "Heimkommen", "zur Ruhe kommen", ein anderer Abschnitt im Tag beginnt. Es ist der Übergang vom Arbeitsalltag zum Feierabend. Es hilft mir ungemein, allein der Gedanke daran, die Hühner um mich zu haben und ihre Lebendigkeit und Zutraulichkeit zu erleben, löst in mir Entspannung und Wohlbefinden aus. Auch schon auf dem Weg nach Hause, hilft auch beim im Stau stehen.


Natürlich gibt es größere, weitreichendere Übergänge in unserem Leben.
Der Wechsel der Jahreszeiten, Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt, Jahrhundert um Jahrhundert, seit dem Anbeginn der Entstehung der Erde. Es gibt nichts, was den Wechsel der Jahreszeiten aufhalten kann.
Das Wahrnehmen des Übergangs von der einen Jahreszeit zu der nächsten, ist eines der wunderbarsten Dinge, wie ich finde.
Wie sehr ersehnen wir im späten Frühjahr den Beginn des Frühlings. Ich ertappe mich immer wieder, dass ich schon im Februar Primeln kaufe, obwohl ich weiß, dass diese Gewächshaus- verwöhnten Pflanzen es schwer haben, dann im Garten anzuwachsen. Aber die bunten Primeln gehören für mich eben zum Übergang vom Winter zum Frühling dazu.


Obwohl wir uns offiziell im Spätsommer befinden, wird es derzeit nachts schon empfindlich kühl. Oft sind es nur 12 Grad am Morgen.
Ist das schon der nächste Übergang? Vom Sommer zum Frühherbst?
Ich glaube schon, denn mein geliebter "Übergangstag" im August, der mich anhand des veränderten Lichts der Sonne den Herbst "erahnen" lässt, den habe ich bereits im Garten empfunden. Das ist immer ein ganz besonderer Moment für mich: plötzlich ist das Licht goldener, die Luft nicht mehr so heiß geschwängert, der Garten atmet auf, weil die glühende Hitze des Sommers plötzlich milder geworden ist. Plötzlich ist sie da, die Ahnung des bevorstehenden Herbstes.
Ich gebe zu, dass dieser Moment im Jahr zu meinem "Lieblingsübergang" zählt. Etwas melancholisch vielleicht, Abschied liegt in der Luft, der Sommer neigt sich unwiederbringlich dem Ende zu. Auch wenn vielleicht im September noch einige heiße Tage folgen können. Doch die Natur hat sich bereits umgestellt: das Wachstum in die Höhe, Breite oder Tiefe findet nicht mehr statt, Alle Kraft geht jetzt in die Reife der Früchte. Es ist die Zeit der Ernte gekommen, all die Mühen des Anbaus und Pflegens kommen in die Vollendung. Wir ernten, was wir gesät haben.
Es gibt ein Gedicht von Rainer Maria Rilke, das ich hier nun zitieren möchte:
"Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sie dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält."
(aus: Rainer Maria Rilke, In einem fremden Park, Gedichte mit Fotos von Marion Nickig, Insel Verlag, Leipzig 1993.)

Nun ist es ebenso Zeit, Vorräte für den Winter anzulegen, es ist die Zeit des Einlagerns, Einkochens, Einfrierens. Auch diese Tätigkeiten haben Ritualcharakter, lassen uns dadurch die Qualität der jeweiligen Jahreszeit spüren.
Ich erinnere mich genau an die Zeit meiner Großeltern. Im Herbst wurden die Äpfel gepflückt und sorgsam im Keller auf einem großen, breiten Holzregal eingelagert.
Wir haben das Glück, dass das Haus auf dem Lerchenbuehl einen alten Ziegelkeller besitzt, der im Winter und im Sommer immer gleichmäßig kühl und feucht bleibt. Die Ziegelsteine sorgen für einen Ausgleich, es ist nie zu feucht oder zu trocken. Also ideal zum Einlagern von Obst und Gemüse.
Die geernteten Karotten kamen in die Sandkiste. Die Kartoffeln in den Kartoffelkeller. Jedes geerntete Stück bekam seinen festen Platz im Haus.
Meine Aufgabe als Kind war es, regelmäßig die Äpfel und die Karotten zu kontrollieren. Schadhaftes oder Fauliges wurde damit rechtzeitig aussortiert.
Im Vorratskeller füllte sich das große Regal mit Eingemachtem. Meine Oma war im Herbst hauptsächlich in ihrer Küche zugange, Es brodelte und duftete, dies hat sich tief in mein Gedächtnis eingegraben.
Ich habe mir angewöhnt im Herbst mein Brot wieder selbst zu backen. Das ist ein wunderbares Ritual des Übergangs in die Herbstzeit. Die große Hitze ist vorbei, man kann den Backofen wieder anschüren, Brotduft erfüllt das Haus! Wunderbar!


Rituale helfen uns, Übergangszeiten in unserem Leben zu bewältigen.
Ich habe jetzt ausschließlich positive, Jahreszeiten bezogene, Übergänge und persönliche Rituale beschrieben.
Natürlich gibte es auch harsche und traurige Übergangszeiten in unserem Leben, etwa, wenn wir einen geliebten Menschen verlieren. Oder wenn eine Freundschaft/Beziehung zu Ende geht und man erst einmal alleine weitermacht.
Auch der Verlust eines existenzsichernden Arbeitsplatzes ist ein Übergang in eine anderen Lebensrhythmus, er bringt Ängste und eventuell viele Sorgen mit sich.
Doch auch hier zeigt sich, dass das Durchführen von festen, gewohnten Ritualen Sicherheit, Ruhe und Berechenbarkeit in unser Leben (zurück-)bringt. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist tief im Stammhirn des Menschen verankert. Es resultiert aus dem uralten Überlebenstrieb der Menschheit.
Mit der Durchführung bekannter, Sicherheit vermittelnder Rituale, beruhigt sich das vegetative Nervensystem und die Stressreaktionen des Körpers fahren zurück.
Wer erinnert sich nicht bei dem Geruch von frischen Tannenzweigen und dem Anblick von Kerzenlicht an Weihnachten? Das Weihnachtsfest, das vielleicht überhaupt am tiefsten im Stammhirn der christlichen Welt verankerte Jahresritual.

Übergänge können viel bewirken. Es verändert sich etwas, Festgefahrenes, Starres darf sich lösen, es kommt eine neue Energie, die die Möglichkeit und den Zauber des Neubeginns mit sich bringt.
Übergang heißt auch, das Alte ist noch nicht völlig vergangen und das Neue ist noch nicht vollkommen angekommen. Es ist eine "Zwischenzeit", weder "Hüh" noch "Hott", weder "Fisch" noch "Fleisch".
Das ist manchmal schwer auszuhalten, in unserer Welt, in der alles vorausberechenbar erscheint. Man bekommt zum Beispiel bei einer Internetbestellung bereits den Tag der Lieferung mit der genauen Uhrzeit der Zustellung genannt. Irgendwie fühle ich mich dann immer um die Spannung, wann es denn geliefert wird, betrogen. Aber dies kann jetzt auch nur meine persönliche Empfindung sein.....
Für mich darf es auch einmal ein "Nichts" sein, ein "Dazwischen", ein "Ahnen", ein "Nachsinnieren" oder auch einfach ein "Abwarten und Tee trinken" sein.

Das obige Bild ist auch an einem "Übergang" entstanden, den ich sehr liebe: der morgendliche Sonnenaufgang am Ostfenster meines Hauses.
Dies sind Minuten der tiefen Dankbarkeit und der Stille. Ich nehme mir im Sommer jeden Morgen diese Zeit, den Sonnenaufgang zu beobachten. Hierbei sortiere ich meine Gedanken und Gefühle. Es ist Zeit den "Übergang" zu erleben und zu genießen.
Ich werde nun zum Ende dieses Blogbeitrages kommen und ich würde mich über hinterlassene Kommentare zu dem Thema sehr freuen. Denn: jeder Blog lebt auch von den Rückmeldungen seiner Leser!
Also, ran an die Tasten und mir geschrieben.
Vielleicht gibt es auch ein Thema, das dringend interessiert und durchleuchtet werden will? Nur keine Hemmungen, ich freue mich auf Eure Ideen.
Bis bald, hier im Blog des Hauses auf dem Lerchebuehl.

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Manuela (Montag, 31 August 2020 10:01)
Liebe Iris, ja das ist mir dieses Jahr auch wieder mehr aufgefallen. Dieser Übergang vom Sommer in den Frühherbst. Ich dachte, aha jetzt ist es herbstlich geworden und das über Nacht, gefühlt. Ich finde es grade auch spannend und die Hoffnung ist dabei sowie die Sehnsucht das es dieses Jahr hoffentlich auch einen Weihnachtsmarkt gibt. Er gehört für mich zur Vorweihnachtszeit dazu und würde mir sehr fehlen wenn es dieses Jahr, so wie viele andere Veranstaltungen, abgesagt werden würde. Gestern der Regentag war toll. Ich habe mich für die Natur gefreut und ich glaube die Bäume bei uns im Hof haben wahrlich aufgeatmet. Ich denke unser Leben ohne Übergänge und Rituale wäre um einiges langweiliger. Liebe Grüße an das Haus und die Bewohner auf dem Lerchenbühl Manu